• Hochschule Rhein-Waal, Campus Kamp-Lintfort

    Neubau einer Hochschule

Neubau des Campus Kamp-Lintfort für die Hochschule Rhein-Waal

 

Seit ihrer Entstehung 2009 hat sich die Hochschule Rhein-Waal schnell entwickelt: Den Betrieb nahm sie in provisorisch eingerichteten Interimsgebäuden auf. Heute verfügt sie mit dem komplett neu errichteten Campus Kamp-Lintfort über einen der modernsten Hochschulstandorte des Landes für die Bereiche Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Technik (MINT). Die pbr AG hat in Zusammenarbeit mit dem Straelener Architekten Michael von Ooyen mit ihrem Entwurf den ersten Preis in einem Generalplanerwettbewerb gewonnen.

 

Inhalt:

Der Campus als Mitte

Hörsaalzentrum und Bibliothek

Geordnete Verhältnisse in der Lehre

Experimentieren auf zwei Ebenen

Licht schafft Atmosphäre

Mensa und Verwaltung

Energie

 

Der Campus als Mitte

Bis zu 2.000 Studierende des Fachbereichs Kommunikation und Umwelt belegen auf dem neuen Campus einen von acht Bachelor- oder vier Master-Studiengängen. Die Studierenden auf dem Campus treffen sich und verweilen auf dem zentralen Platz, der von fünf Schollen mit Sitzflächen gegliedert wird. Anstelle eines großen Baukörpers wurde das Raumprogramm auf vier zwei- bis dreigeschossige Bauteile verteilt, die den klar gefassten zentralen Platz ausbilden. Im Vordergrund stand der Gedanke, einen Ort des Austauschs und der Kommunikation für Lehrende und Studierende zu schaffen. So werden alle Gebäude von diesem Platz erschlossen und sind zu ihm geöffnet. Die im Nordwesten angeordneten zentralen Einrichtungen orientieren sich mit der Mensa, dem Bistro, der Bibliothek und dem Hörsaalzentrum mit Foyer- und Ausstellungsbereich zur Mitte des Campus. Ihnen gegenüber befinden sich der Baukörper für die Fakultät Kommunikation und Umwelt sowie das Technikum. 

Während das quadratische Gebäude des Hörsaalzentrums und der Bibliothek im Norden des Campus den Kopf der Hochschule kennzeichnet, ist die Baukörperstruktur im Süden zum angrenzenden parkähnlichen Grünraum mit dem Bach Große Gorley und der sich anschließenden studentischen Wohnbebauung offen gestaltet. Durch die Abwinkelung des östlichen Gebäudes entsteht im Norden ein zur Innenstadt ausgerichteter Eingang zum Campus. Von Süden blicken die Nutzer über das Hochschulareal und können so die Anbindung an die Stadt Kamp-Lintfort erkennen. Indem die relativ große Baumasse auf vier Gebäude aufgeteilt wurde, konnte die Stadt mit dem neuen Campus weitergedacht werden. Die Hochschulgebäude binden sich aufgrund ihrer Maßstäblichkeit und Materialität in die städtische Struktur ein. 

In Anlehnung an die regionale Bautradition, die besonders durch die Verwendung des Materials Ziegelstein gekennzeichnet ist, und unter Berücksichtigung der Nutzung wurden die Fassaden mit Materialien wie Stahl/Aluminium, Glas und Klinkermauerwerk gestaltet. Bei der Auswahl des anthrazitfarbenen Klinkers wurde besonderes Augenmerk auf seine Oberfläche gelegt. Als Kontrast zu dem industriell gefertigten Klinker wurde eine flächenbündige Pfosten-Riegel-Konstruktion mit schlanken Aluminiumprofilen und farbigen Öffnungsflügeln eingebaut. Die Fensterbänder bilden mit den geschlossenen Brüstungen eine horizontale Struktur. Die farbigen Lüftungselemente rhythmisieren und gliedern die Fassade, aufgesetzte Sonnenschutzkästen akzentuieren sie zusätzlich als horizontales silbernes Band. Die reduzierte Farbigkeit der Gebäude aus anthrazitfarbenem Klinker, dunklem Metall und gezielt eingesetzten farbigen Akzenten setzt sich auch im Innenbereich, zum Beispiel in den Hörsälen fort. 

Hörsaalzentrum und Bibliothek

Das Hörsaalzentrum und die Bibliothek empfangen die Nutzer in einer zweigeschossigen Eingangshalle mit einem Werk des Berliner Künstlers Raimund Kummer. Zwei spiegelbildlich angelegte Treppenanlagen führen in das Obergeschoss. In dem Gebäude befinden sich das Audimax mit ansteigendem Gestühl für 300 Personen und ein experimenteller Hörsaal für 150 Besucher. Das Audimax kann mit einer verschiebbaren Wand um einen Seminarraum erweitert werden. Der Experimentierhörsaal bietet eine technische Ausstattung für verschiedene physikalische Experimente. Auf allen Ebenen sind insgesamt fünf weitere Hörsäle und drei Seminarräume verteilt. Für eine optimierte Raumakustik in den Hörsälen wurden Schallabsorber und ein Wechsel aus harten und weichen Flächen eingesetzt. An PC-Pulten in den Hörsälen werden Beleuchtung und Medientechnik gesteuert sowie Medien angeschlossen.

Im zweiten Obergeschoss hat die Bibliothek mit verglasten Studierkabinen, sogenannten Carrels, Gruppenräumen und Büros auf einer Fläche von 750 m² ihren Platz. Sie bietet Aufstellflächen für insgesamt 45.000 Medien. Dank eines Selbstverbuchungssystems und einer automatischen Vorsortierung der zurückgegebenen Bücher wird das Bibliothekspersonal entlastet.

Offene Bereiche wie Flure wurden sehr robust mit einfachen und rohen Materialien ausgeführt und verstrahlen einen rauhen, annähernd industriellen Charme. Sichtbetonflächen, Streckmetalldecken, Metallgeländer und graue Fußböden prägen hier die Raumwahrnehmung. In diesem Detail wird die Zielsetzung deutlich, den experimentellen und offenen Charakter der Universität in klarer Abgrenzung zu einem Bürogebäude herauszuarbeiten. In allen Gebäuden bildet die Wandgestaltung ein Spiel zwischen Sichtbeton und weißen verputzten Wänden. Beispielsweise im Obergeschoss des Hörsaalgebäudes sind die innen liegenden Wände weiß, nach außen gerichtete Wände in Sichtbeton ausgeführt. Daran orientiert sich auch die Gestaltung der Innentüren. Sie sind flächenbündig in Schatten-Nut-Zargen farblich passend zum Material eingefasst.

Geordnete Verhältnisse in der Lehre

In dem Fakultätsgebäude befinden sich neben verschiedenen Chemie-Nasslaboren auch Medienräume, PC-Pools und Werkstätten. Eine Freiterrasse im Staffelgeschoss ermöglicht Außenexperimente. Im zweiten Obergeschoss ist das Gebäude über eine filigrane Brücke mit Fachwerkträgern, die einen gestalterischen Bezug zu industriellen Bauten herstellt, an das Technikum angebunden. Besondere Herausforderungen waren hier, Schwingungsstabilität zu gewährleisten und die Durchdringung der Glasfassade durch die Brücke herzustellen.


In Teilen offenbart das Gebäude eine dreibündige Struktur, wobei im Mittelteil dienende Funktionen angeordnet sind. An einer Magistrale sind die Seminarräume für die Bereiche Chemie und Physik angelagert. Über Stichflure sind die Büros der Dozenten erreichbar. Diese Räume wurden bewusst nicht an der Magistrale angeordnet, um einen beruhigten Bereich zum Arbeiten und Vorbereiten zu schaffen. Die innen liegenden Flure werden über verglaste Seitenteile der Innentüren natürlich belichtet. An den Flurenden befinden sich mit Glastüren geschlossene Räume für studentisches Arbeiten.

 

Experimentieren auf zwei Ebenen

Das Technikum ist eine multifunktionale Technologie- und Experimentierhalle. Im Erdgeschoss sind die Technikhalle und verschiedene Labore wie CAD/CAM-Labore und das sogenannte Fabric Laboratory (FabLab) angeordnet. Das FabLab ist eine Werkstatt mit 3D-Drucker, Laser-Cutter und CNC-Fräsen zur computergesteuerten maschinellen Herstellung von innovativen Produkten. Die Technikhalle mit Faserbetonboden und Aufprallschutz kann mit schweren Fahrzeugen befahren werden, um z. B. große Maschinen auf- und abzuladen. Mit einer Kranbahn werden Lasten z. B. von einem LKW bis in das Obergeschoss gehoben. Verschiedene Anschlüsse wie Starkstrom und Druckluft liegen im Technikum vor, um eine Vielzahl an Versuchsszenarien realisieren zu können. Die akustische Decke absorbiert Schallemissionen.
Im Erdgeschoss sind außerdem eine Mechanikwerkstatt und dienende Bereiche angesiedelt. Ein eingeschossiger Raum für weitere Versuchsaufbauten befindet sich im ersten Obergeschoss. Im zweiten Obergeschoss liegen studentische Arbeitsplätze, Seminarräume und Büros. Die Fassade des Technikums ist im Erdgeschoss zu drei Seiten komplett verglast, um so eine klare Bezugnahme zwischen innen und außen herzustellen.

Licht schafft Atmosphäre

Auf dem Campus erzeugen Leuchten entlang des Fakultätsgebäudes eine Achsbeziehung von der Stadt zum Grünraum. Diese Wegelinie ist intensiver beleuchtet als der zentrale Campusplatz. Bodenstrahler in den Schollen illuminieren den Platz zurückhaltend. Schwerpunktmäßig wird auf dem Campus energieeffiziente LED-Beleuchtung eingesetzt. Bei der Auswahl der Lichtfarbe und der Ausrichtung der Leuchten in den Gebäuden wurde großer Wert auf Übereinstimmung mit den Außenleuchten gelegt, um in der Dunkelheit für den Betrachter ein durchgängiges Erscheinungsbild zwischen der Außenbeleuchtung und der durch Glasfassaden wahrnehmbaren Innenbeleuchtung zu erzeugen.

 

Mensa und Verwaltung

Das Verwaltungs- und Mensagebäude beherbergt im Erdgeschoss das Student Service Office mit Besprechungsräumen und die Mensa. Im Obergeschoss sind Seminarräume und Sprachlabore sowie Räume der Verwaltung angeordnet. In der Mensa mit direkter Anbindung an das Bistro werden täglich zur Mittagszeit 650 Essen zubereitet. Außerhalb der Mittagszeit werden 200 Gäste pro Tag mit Frühstück und Zwischenverpflegungen versorgt. Die Speiseversorgung erfolgt im Frischkost-System, d. h. die Speisen werden unter Verwendung von Convenience Food zubereitet und direkt ausgegeben. Die Cafeteria gibt zusätzlich Zwischenmahlzeiten wie Snacks und Sandwiches aus, wenn die Hauptmensa geschlossen ist. In Nebenzeiten bedienen sich die Studierenden an Automatenstationen.


Der Speisesaal kann durch eine Glasschiebewand von der Essensausgabe abgetrennt werden. Damit nutzen Studierende diese Fläche auch außerhalb der Mensaöffnungszeiten zum Arbeiten. Durch zu öffnende bodentiefe Fensterelemente stellt die Mensa einen Bezug zum zentralen Platz her. Darüber hinaus hat die Hochschule so die Möglichkeit, Außensitzflächen auf dem Campus einzurichten.
Die Mensa verfügt über einen Free-Flow- und Selbstbedienungsbereich sowie Aktionstheken und eine Front-Cooking-Theke. Täglich werden zwei Hauptmenüs und drei Alternativmenüs angeboten. Die neue Mensa beinhaltet eine ebenerdige Warenanlieferung, Tages-, Tiefkühl- und Trockenlager, Vorbereitungsräume, eine Koch- und Bratküche, eine Spülküche sowie einen Müllraum. Die Lager u. a. für Gemüse und Obst, Fleisch und Molkereiprodukte sind im Erdgeschoss angeordnet und mit der Produktion verbunden. Die Küche mit vorgelagertem Vorbereitungsbereich ist als Vollküche mit Heißumluftdämpfer, Kochkessel und Universal-Gargerät ausgelegt. Im Müllraum sind Nassmüllkühler aufgestellt, in denen der Nassmüll aus der Produktion bis zum Abtransport durch eine Fremdfirma zwischengelagert wird.

Energie

In einer Studie wurde ermittelt, dass für die Beheizung des Standorts Kamp-Lintfort ein Blockheizkraftwerk, ein Kessel und eine starke Wärmedämmung, die den Standard um 50 % übertrifft, wirtschaftlicher als andere Systeme sind. Mit dem Blockheizkraftwerk erzeugt die Hochschule zusätzlich eigenen Strom, der auf dem Campus genutzt wird. Die zentrale Wärmeerzeugung des gesamten Campus befindet sich im Untergeschoss des Technikums. Das Kellergeschoss ist über einen Lastenaufzug wartungsfreundlich erschlossen.
Die Raumbelüftung erfolgt überwiegend natürlich, um Energie zu sparen. Nur Räume mit einem hohen Luftwechselbedarf wie Labore und Serverräume werden klimatisiert. Zwei Kaltwassererzeuger mit einer Kälteleistung von 850 kW auf dem Dach des Technikums erzeugen die benötigte Kühlleistung. 

Fertigstellung
03/2014
Gesamtbausumme
39,5 Mio € (brutto)
Flächen und Rauminhalte
NF 15.797 m²
BGF 19.055 m²
BRI 80.429 m³
Bauherr
BLB NRW, Niederlassung Duisburg
Leistungen pbr
Gesamtplanung in ARGE mit
Dipl.-Ing. Freier Architekt BDA Michael van Ooyen
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