Ist man Atomen auf der Spur, benötigt man außerordentlich präzise Technologien, um zu zuverlässigen Ergebnissen zu gelangen. Für die Fakultäten Chemie und Physik der Technischen Universität Dortmund ist auf dem südlichen Baufeld des Campus Nord ein modernes Labor- und Bürogebäude mit hoch technisierten Laboren entstanden. Hier werden u.a. Prozesse auf atomarer Ebene erforscht.
Im Rahmen des Hochschulmodernisierungsprogramms investierten der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, das Land Nordrhein-Westfalen und die TU Dortmund über 50 Millionen Euro in das Gebäude. Das Ersatzgebäude für den Lehr- und Forschungsbetrieb bildet den ersten von vier Schritten eines Masterplans zur Erweiterung und Modernisierung des Campus. Nach der Fertigstellung des Neubaus werden u. a. die Bestandsgebäude der Bereiche Chemie, Physik, Elektrotechnik und Wirtschaft und Sozialwissenschaften abschnittsweise entkernt und grundlegend saniert. Darüber hinaus entstehen weitere Neubauten für die Fachbereiche, z. B. ein Praktikumsgebäude.
Inhalt:
Roter Block mit Ringstruktur
Geschichtete Funktionen
Konditionierte Luft und Wärme wo sie benötigt werden
Brandschutz
Tragkonstruktion
Roter Block mit Ringstruktur
Der sechsgeschossige Baukörper in Ringstruktur mit einem witterungsoffenen Innenhof stellt sich nach außen als kompakter Block mit roter Klinkerfassade und großflächigen Fensterbändern dar. Durch einen zweigeschossigen Gebäudeeinschnitt und eine Treppen-Rampenanlage ist der Eingangsbereich an der Otto-Hahn-Straße gekennzeichnet. Zwischen dem Sockelgeschoss E1 und den Obergeschossen setzt die Ebene E0 eine erkennbare Zäsur in Form einer gläsernen Fuge. Die Ebene E1 gräbt sich in die vorgefundene Hanglage ein und ist zum Teil von Erde überdeckt.
Der Neubau ist über ein mehrgeschossiges Verbindungsbauwerk direkt an das Bestandsgebäude an der Otto-Hahn-Straße angeschlossen. Von allen Ebenen haben die Nutzer an der Nordseite des Gebäudes Zugang zu dem Bestand. Über eine Verbindungsbrücke ist der Neubau an ein Erschließungsgebäude und den Flachbereich Chemie mit Werkstätten angebunden.
Durch die Neuordnung und Zusammenfassung der Flächen für die Fachbereiche Physik und Chemie wurden die Labore in dem neuen Baukörper konzentriert, um möglichst kurze Wege zwischen den Funktionseinheiten zu erzielen. Hier sind jetzt ein Großgerätezentrum und die überwiegend hochinstallierten Labore des Campus auf der Hauptnutzfläche von 8.600 m² in dem neuen Gebäude untergebracht. Mehr als die Hälfte dieser Fläche wird von Laboren genutzt.
Geschichtete Funktionen
Die unterschiedlichen Nutzungsbereiche aus Physik- und Chemielaboren, Praktikums- und Seminarräumen, Büros sowie Bedarfs- und Funktionsflächen sind vertikal um den Innenhof geschichtet. In dem Gebäude sind die fünf Vollgeschosse und die zweigeschossige Technikzentrale als geschlossene Ringkörper ausgebildet und in der Regel zweibündig mit Labor- und Bürobund sowie Mittelflur organisiert. Büros sind für eine auf Tageslicht optimierte Beleuchtung zur Südseite und zum Innenhof ausgerichtet. Von der zweibündigen Struktur weichen die großen Praktikumssäle in der Ebene E0 ab.
Bei der Anordnung der Nutzungseinheiten wurden die funktionalen Zusammenhänge innerhalb und zwischen den Arbeitsgruppen berücksichtigt. Die Treppenhäuser und Aufzüge sind an den vier Gebäudeecken angeordnet. Sie bilden die Grenze der Funktionsbereiche in den Geschossen. Über Flure an den Treppenhäusern werden die geschlossenen Arbeitsbereiche mit Zutrittskontrollen erschlossen.
In der Ebene E1 befindet sich neben den Physiklaboren das Großgerätezentrum mit Laserlaboren der Klassen 3P und 4, Aufstellorten für Rastertunnelmikroskopen und einem Kernspinresonanz-Geräte. Mit Hilfe von Supra-Magneten können hochpräzise Messungen durchgeführt werden. Zur Aufstellung von großen Geräten hat das Sockelgeschoss eine lichte Raumhöhe von fünf Metern. Ebenerdig können die Großgeräte über einen hinreichend dimensionierten Außeneingang angeliefert werden.
Das Sockelgeschoss ist nicht in Ringstruktur, sondern als quadratische Fläche ausgeführt. Hier sind die Nutzungseinheiten mit parallel angeordneten Flurzonen verkehrstechnisch getrennt, so dass Durchwegungen von Einheiten vermieden wurden. Partielle Bereiche sind erschütterungsarm mit entkoppelten Fundamenten ausgeführt. Dies verhindert, dass Schwingungen aus dem Betrieb der benachbarten S-Bahn-Linie die Versuche stören oder ihre Ergebnisse verfälschen.
Öffentliche Bereiche wie die Eingangshalle, Flurzonen neben Praktikumslaboren und die Treppenhäuser sind großflächig verglast. Das Großgerätezentrum ist von der Eingangshalle in der Ebene E0 einsehbar und aufgrund seiner bodentiefen Glasfassade zum Innenhof natürlich belichtet. Auch die Arbeitsfläche für Studierende in dieser Ebene ist offen gestaltet und bietet Ausblick in den Innenhof. Im Innenraum beschränkt sich das Gebäude auf wenige strapazierfähige Oberflächenqualitäten und Elemente. Alle technischen Anlagen im Deckenbereich sind in Sichtinstallationen ausgeführt worden. Weil Leitungen nicht hinter einer geschlossenen Decke versteckt werden, sind sie jederzeit für die Nachrüstung und Wartung zugänglich.
Konditionierte Luft und Wärme wo sie benötigt werden
Eine Reihe von Lüftungs- und Teilklimaanlagen versorgt das Gebäude fakultätsübergreifend mit Frischluft. Diese Geräte sind in vier Lüftungszentralen in der zweigeschossigen Ebene D4 konzentriert. Alle Lüftungsanlagen nutzen eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung durch Schichtwärmetauscher und die Teilklimaanlagen setzen ein System zur Kälterückgewinnung ein. Der Schichtwärmetauscher arbeitet mit einer hydraulischen Verteilung, so dass die Wärme aus dem Abluftgerät nicht unmittelbar in das zugehörige Zuluftgerät eingespeist werden muss, sondern die Wärme kann über einen Verteilerbalken zu den Anlagen in anderen Bereichen transportiert werden, wo sie benötigt wird. In den Laboren wird 75 % der Wärmeenergie zurückgeführt.
Wärme und Kälte für die Raumklimatisierung werden generell durch das zentrale Netz der Universitätsliegenschaft bereitgestellt. Der größte Bereich der chemischen Labore stellt keine besonderen Anforderungen an die Raumlufttemperatur und die Raumluftfeuchte. Spezielle chemische Labore benötigen jedoch konstante Temperaturniveaus, die ausschließlich durch die zusätzlichen dezentralen Kälteanlagen in den Technikzentralen erzeugt werden können. Beispielsweise im Großgerätezentrum der Chemie und in den meisten Physiklaboren beträgt die Raumtemperatur ganzjährig 22 °C. Die Raumluftfeuchte darf hier 45 % nicht übersteigen. Diese Labore sind durch Schleusen von den Warmbereichen getrennt, so dass keine Warmluft in die Labore strömen kann. Auch in den Laserlaboren ist aufgrund der hohen Wärmeentwicklung der Versuchsgeräte und der Notwendigkeit konstanter Raumluftbedingungen eine Kühlung erforderlich.
Die Kernspinresonanz-Geräte erfordern besondere Aufstellbedingungen. Die Räume haben aufgrund der starken magnetischen Strahlung des Geräts als Trennwände nach innen Holzständerwerke mit Aluminiumtüren erhalten, auch die überwiegenden Rohrleitungen sind nichtleitend. Über Sicherheitskorridore und hermetische Felder soll sichergestellt werden, dass Gegenstände, die empfindlich auf starke Magnetfelder reagieren, nicht beschädigt werden. Die Labore sind mit einer flexiblen Infrastruktur in der Medienversorgung ausgestattet, so dass verschiedene Szenarien für die Geräteaufstellungen möglich sind.
Die hohe Kühllast der Kernspinresonanz-Geräte wird mit einer Kühlung durch einen Verdampfungskryostat mit flüssigem Helium als Kältemittel abgedeckt. Die Kältewerte werden durch die Verdampfung des Heliums erzielt. In dem Kreislauf wird das gasförmige kostbare Gas wieder aufgefangen und in einer Rückgewinnungsanlage wiederaufbereitet, um es dem Kreislauf mit einer Rate von 98 %zurückzuführen oder für Versuche bereit zu stellen. Das gasförmige Helium wird in ballonförmigen Sammelstationen aufgefangen, anschließend in Hochleistungsverdichtern im Sockelgeschoss verflüssigt und in 6 m hohen Hochdrucktanks und Flaschenbatterien zwischengespeichert.
Die Heliumanlage wurde von cryvotec Vorbuchner GmbH & Co. KG, der Cryo Anlagenbau GmbH und der Linde AG erbaut. Dezentrale Heliumverbraucher in der Liegenschaft werden mit Heliumkannen über eine direkte Abfüllung versorgt. Für den Fall, dass Helium unkontrolliert austritt, veranlassen Sauerstoffsensoren das Fluten des Raumes mit Frischluft, wenn sie einen kritischen Wert registrieren. Die Labore werden mit technischen Gasen, zentraler Druckluft und Stickstoff versorgt. Darüber hinaus bieten sie eine dezentrale Gasversorgung unterschiedlicher Art, z. B. mit Wasserstoff und Argon, und Kühlwasseranschlüsse.
Brandschutz
Alle sicherheitstechnischen Komponenten sind miteinander verschaltet. Bei einer Meldung von Brandherden wird zwischen Feuer in Geschossen und Bauteilen differenziert. Der große Vorteil dieser Technik liegt darin, dass Fehlalarme nicht zu einer Ausschaltung des gesamten Gebäudes führen. Zunächst wird nur die Etage in dem entsprechenden Bauteil gesichert, so dass Versuche in anderen Bereichen des Gebäudes fortgesetzt werden können. Werden weitere Brandmelder ausgelöst, wird eine Sicherheitskette aktiviert, die bis zur Komplettabschaltung und Evakuierung des Gebäudes führt.
Tragkonstruktion
Das Gebäude erhielt eine durchgehende Sohlplatte als Ortbetonbodenplatte in Normalbeton einschließlich Bewehrung statischer Erfordernis. Die Sohlplatte sowie die erdberührten Außenwände wurden in Stahlbeton nach dem Prinzip einer weißen Wanne mit dem Nachweis der Rissbreitenbeschränkung erstellt. Die Gründung der Sohlplatte erfolgte in Teilbereichen durch Fundamentbalken auf Bohrpfahlköpfen. Die aussteifenden Außenwände wurden örtlich im Erd- und den Obergeschossen als Betonwände in Normalbeton hergestellt. Die erdberührenden, tragenden Außenwände in den Untergeschossen wurden als örtlich WU-Betonwände in Normalbeton hergestellt. Die Dachkonstruktion des Hauptdaches wurde als nach außen flach geneigtes Dach mit Gefälle in einer vorgefertigten Stahlträgerkonstruktion errichtet. Die Wandkonstruktion außen besteht aus einer Stahlbetonskelettkonstruktion mit Außenstützen und Geschossdecken sowie den nichttragenden Kalksandstein-Außenwänden in den Gefachen.